MikrobiotaDarmbakterien Auslöser für postoperative Infektion

Darmbakterien können postoperative Wundinfektionen verursachen, auch wenn der Darm nicht verletzt wurde. Das zeigt eine Studie mit knapp 4000 Patient*innen.

Darmschleimhaut und Darmzotten mit Bakterien
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Im Darm leben 100 Billionen Mikroorganismen.

Darmbakterien sind häufiger Auslöser von Komplikationen nach einer Operation. Das zeigt eine neue Studie von Forschungsteams des Universitätsspitals Bern, der Universität Bern und der Universität Würzburg. Eine Lösung für dieses Problem könnte aus der Leber kommen.

Knapp 16 Millionen Operationen haben deutsche Krankenhäuser im Jahr 2021 vorgenommen. In der Schweiz sind es rund 1,1 Millionen. Auch wenn der Eingriff gut verläuft, kommt es nicht selten im Anschluss zu einer Wundinfektion.

Die Studie zeigt: Bei den Verursachern dieser Infektionen handelt es sich bei einem Großteil der Fälle um Bakterien aus dem Darm des Patienten. Diese Erreger überwinden postoperativ die Darmbarriere und verbreiten sich über Blut- und Lymphbahnen im Körper. Sie können von speziellen Immunzellen aufgehalten werden, die in allen Organen, auch in der Leber, patrouillieren.

100 Billionen Mikroorganismen leben im Darm

„Im menschlichen Darm leben mehrere hundert Stämme unterschiedlicher Bakterien mit rund einhundert Billionen Mikroorganismen. Sie bilden die natürliche Darmflora, auch Mikrobiom genannt“, erklärt die beteiligte Wissenschaftlerin Gomez de Agüero. Für den Menschen ist ihre Existenz von Vorteil: Sie helfen bei der Verdauung, beseitigen Krankheitserreger und trainieren das Immunsystem. Das gilt jedoch nur so lange, wie diese Bakterien nicht die Darmbarriere überwinden und sich im Körper ausbreiten.

Nach einem operativen Eingriff kann allerdings genau dies passieren: „In unserer Studie haben wir die Mikroorganismen analysiert, die bei fast 4000 Patienten nach einem größeren chirurgischen Eingriff Begleitinfektionen verursacht haben“, erklärt Prof. Guido Beldi vom Inselspital Bern. Dabei zeigte sich, dass es sich in so gut wie allen Fällen bei den Erregern um Bakterien aus dem Darm des Patienten handelte, wie beispielsweise Enterococcus, Escherichia coli und Clostridium.

Diese sorgten am häufigsten nach Operationen an der Leber, der Bauchspeicheldrüse und den Gallenwegen sowie bei Operationen am Dünn- und Dickdarm für Infektionen. Vor allem Patient*innen, die sich einer großen Leberresektion unterziehen mussten, erlitten solch eine Infektion, die den Heilungsprozess deutlich verzögerte.

Wichtige Akteure sitzen in der Leber

Dass die Leber in diesem Infektionsgeschehen tatsächlich eine besondere Rolle spielt, konnten die Forschenden im Mausmodell nachweisen: „Wir wissen, dass spezielle Zellen des Immunsystems, die in der Leber ansässig sind, für die Kontrolle dieser sich ausbreitenden Bakterien und für den Heilungsprozess nach größeren Operationen verantwortlich sind“, sagt Dr. Mercedes Gomez de Agüero von der Uni Würzburg. Bei ihnen handelt es sich um eine Gruppe von Lymphozyten, die Innate Lymphoid Cells (ILCs), die wichtiger Teil des angeborenen Immunsystems sind.

Gelangen über den Blutstrom Bakterien aus dem Darm in die Leber, werden diese ILCs aktiviert und setzen spezielle Botenstoffe wie Interleukin 22 frei. Das Protein kann Immunreaktionen auslösen und regulieren. Auf diese Weise regen sie Leberzellen dazu an, antimikrobielle Substanzen zu produzieren. „Damit kontrollieren in der Leber ansässige angeborene lymphatische Zellen die systemische Ausbreitung von Darmbakterien und bekämpfen wirksam Begleitinfektionen nach Operationen“, so die Wissenschaftlerin.

Eine sinnvolle prophylaktische und therapeutische Alternativstrategie zu üblichen antimikrobiellen Therapien sei die Stärkung der Immunität, so Beldi. Zumindest so lange, bis aufgeklärt ist, welche Faktoren dafür verantwortlich sind, dass nach einem operativen Eingriff die Darmbarriere Darmbakterien nicht mehr davon abhält, in das Körperinnere einzudringen. Diesen Fragen will das Forscherteam jetzt nachgehen.

Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Literatur

Jakob MO, Spari D, Sanchez-Taltavull D et al. ILC3s restrict the dissemination of intestinal bacteria to safeguard liver regeneration after surgery. Cell Reports 2023; https://doi.org/10.1016/j.celrep.2023.112269