HypertonieBlutdruck im Alter: Höhere Zielwerte können vorteilhaft sein

Bei stark gebrechlichen Personen könnte ein höherer Blutdruck von Vorteil sein. Eine neuen Studie kommt zu dem Schluss, dass das Sterberisiko von älteren Personen mit Bluthochdruck stark von dem Faktor „Gebrechlichkeit“ abhängt.

Ein Arzt misst den Blutdruck eines Patienten
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Das durch einen höheren systolischen Blutdruck bedingte Sterberisiko im Alter unterscheidet sich stark.

In einer neuen Studienarbeit haben Forschende der Universität Ulm und der Agaplesion Bethesda Klinik Ulm die Sterblichkeit von älteren Personen im Zusammenhang mit dem systolischen Blutdruck und dem Faktor „Gebrechlichkeit“ untersucht. Das Ergebnis: Das durch einen höheren systolischen Blutdruck bedingte Sterberisiko im Alter unterscheidet sich stark je nach der individuellen Fitness der Personen. Erschienen ist die Untersuchung in „Hypertension“, einem kardiovaskulären Fachjournal, das von der American Heart Association herausgegeben wird.

Mit zunehmendem Lebensalter nimmt das Risiko für Bluthochdruck (Hypertonie) zu, da unter anderem die Gefäße an Elastizität verlieren. Mit dem Blutdruck steigt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Schlaganfall oder Herzinfarkt. Deshalb zählt Hypertonie zu den großen vier Risikofaktoren. Rund drei Viertel aller 75-Jährigen leiden an Bluthochdruck. Deshalb gilt die Empfehlung, den systolischen Blutdruck meist medikamentös auf unter 140 mmHg zu senken.

Jedoch kann eine starke Absenkung des Blutdrucks im Alter mit negativen Ereignissen wie Stürzen zusammenhängen. Dies ist auf die zunehmende autonome Dysregulation zurückzuführen. Das heißt, dass das körpereigene Kontrollsystem aus dem Gleichgewicht geraten ist. Dies kann im Zusammenspiel mit Störungen der venösen Durchblutung zu einem langanhaltenden Blutdruckabfall nach dem Aufstehen führen. Gleichzeitig gibt es Hinweise auf eine Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten, wenn der systolische Blutdruck bei Älteren deutlich unter 130 mmHg gesenkt wird. Auch andere Nebenwirkungen von blutdrucksenkenden Medikamenten wie Reizhusten, Allergien und Verdauungsprobleme sind bekannt.

„Heutzutage wird der Nutzen der intensiven Behandlung der arteriellen Hypertonie, also des Bluthochdrucks im höheren Alter, kontrovers diskutiert. Noch existieren keine einheitlichen Empfehlungen in den vorhandenen Leitlinien. Mit unserer Untersuchung wollen wir einen Beitrag leisten und die Datenlage verbessern“, erklärt PD Dr. Dhayana Dallmeier von der Agaplesion Bethesda Klinik Ulm. Aus diesem Grund hat das Forscherteam die Sterblichkeit von Älteren in Bezug mit dem Blutdruck und der Gebrechlichkeit gesetzt.

In der Untersuchung griffen die Forschenden auf die Daten von über 1100 Teilnehmenden (mittleres Alter 73,9 Jahre, 41,6 Prozent Frauen) der ActiFE-Studie (Activity and Function in the Elderly in Ulm) zurück, die vor allem die körperliche Aktivität bei Personen über 65 Jahren erfasst. Die Wissenschaftler*innen konnten feststellen, dass die Gebrechlichkeit das Sterberisiko stark beeinflusst. So lag bei „fitteren“ Personen das geringste Sterberisiko bei einem systolischen Blutdruck von 130 mmHg, wie auch in den aktuellen Leitlinien angegeben.

Ein höherer Blutdruck kann bei stark gebrechlichen älteren Menschen das Sterberisiko tendenziell senken.

Weiterhin zeigte die Untersuchung, dass bei stark gebrechlichen Älteren das Sterberisiko mit einem höheren Blutdruck tendenziell sogar sank. Das geringste Risiko verzeichneten gebrechlichen Personen mit einem Blutdruck von 160 mmHg oder höher. „Wie wir beobachten können, verläuft das Altern von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Neben den fitten und sportlich aktiven Über-80-Jährigen gibt es gebrechliche und wenig belastbare 70-Jährige. Unsere Untersuchung bestätigt, wie wichtig dieser Umstand im Alter, beispielsweise in Bezug auf die Anwendung differenzierter Behandlungsansätzen, sein kann“, so Erstautor Kaj-Marko Kremer. Die Autorinnen und Autoren der Studienarbeit raten dazu, die körperliche und kognitive Fitness im Alter bei der patientenspezifischen Behandlung der arteriellen Hypertonie zu beachten und bei der Erarbeitung von neuen Richtlinien einfließen zu lassen.

Quelle:  Pressemitteilung/Universität Ulm

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