SäuglingsernährungAngaben auf Säuglingsnahrung selten evidenzbasiert

Angaben auf Säuglingsnahrung betonen oft Vorteile gegenüber dem Stillen. Allerdings sind sie nur selten wissenschaftlich belegt, so eine Studie.

Flasche mit Muttermilch und Herz aus Muttermilch auf rosa Hintergrund.
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Die untersuchten Produkte priesen oft die Unterstützung bei der Entwicklung des Immun- und/oder Nervensystems an.

Gesundheits- und nährwertbezogene Angaben auf Nahrungsprodukten für Säuglinge sind umstritten, weil sie die vermeintlichen Vorteile gegenüber dem Stillen hervorheben. Es gibt jedoch nur wenige Daten über die Häufigkeit der Angaben und ihre wissenschaftliche Untermauerung. Deshalb untersuchte ein internationales Forschungsteam im Zeitraum von 2020 bis 2022 die Gesundheitsversprechen auf den Verpackungen von Produkten für Muttermilchersatz und den begleitenden Internetseiten in 15 Ländern auf unterschiedlichen Kontinenten.

Gesundheitliche Vorteile kaum wissenschaftlich belegt

In der aktuellen Studie wurden alle gesundheits- und nährwertbezogenen Angaben erfasst, die das Produkt oder einen seiner Inhaltsstoffe mit einer potenziell positiven Wirkung auf das Wachstum, die Entwicklung oder die Gesundheit der Verbraucher in Verbindung bringt.

Bei 608 Produkten waren die häufigsten Angaben „hilft/unterstützt die Entwicklung des Gehirns und/oder der Augen und/oder des Nervensystems" (53 Prozent), „stärkt/unterstützt ein gesundes Immunsystem" (39 Prozent) und „hilft/unterstützt Wachstum und Entwicklung" (37 Prozent).

In allen Ländern enthielten nur 161 von 608 Ersatzprodukten für Muttermilch eine wissenschaftliche Referenz zur Unterstützung der Angaben. Wenn auf wissenschaftliche Belege verwiesen wurde, handelte es sich bei 14 Prozent davon um registrierte klinische Studien. 84 Prozent dieser Studien wurden von Autor*innen durchgeführt, die entweder von der Nahrungsmittelindustrie finanziert wurden oder direkt mit der Industrie verbunden waren.

Für 74 Prozent der Produkte, die spezifische gesundheitsbezogene Angaben machten, gab es keine wissenschaftliche Referenz.

„[…] Eine stärkere Regulierung zusätzlich zum bereits bestehenden Kodex der Weltgesundheitsorganisation zur Vermarktung solcher Produkte, begleitet von einer konsequenten Ahndung der Abweichung von diesem Kodex erscheint notwendig“, sagt Jon Genuneit, Mitautor der Studie.

Wenig Trennschärfe bei Inhaltsstoffen und Gesundheitseffekten

„Zu den meisten Produkten für Säuglingsnahrung wurde mindestens ein Werbeversprechen gemacht. Oft wurden mehreren Inhaltsstoffen dieselben oder ähnliche Gesundheitseffekte zugeschrieben und gleichzeitig einzelne Inhaltsstoffe mit vielfältigen Gesundheitseffekten verbunden. Diese mangelnde Spezifität könnte darauf hinweisen, dass die Zusammenhänge zwischen Inhaltsstoff und Gesundheitseffekt nicht ursächlich sind oder sehr oberflächlich benannt werden, was beim Verbraucher viele Fehlschlüsse zulässt“, erklärt Prof. Genuneit.

Die häufigsten Zutatengruppen, die in den Angaben der Ersatzprodukte für Muttermilch genannt wurden, waren ungesättigte Fettsäuren mit 46 Prozent. Seit Februar 2022 muss in der EU die ungesättigte Fettsäure Docosahexaensäure (DHA), mit nachgewiesenen, anerkannten Gesundheitseffekten für die Entwicklung des kindlichen Nervensystems, in Ersatzprodukten für Muttermilch enthalten sein. Ab Februar 2025 ist der explizite Werbehinweis auf diesen Inhaltsstoff in der EU verboten. Weitere häufige Zutaten sind Präbiotika, Probiotika oder Synbiotika in 37 Prozent der Säuglingsnahrung und bei 20 Prozent hydrolysiertes Eiweiß.

Quelle: Universität Leipzig

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